2. Was macht ein Spiel zu einem guten Spiel ?
Ein gutes Spiel ist ein Spiel, das uns ein Leben lang begleitet.
Ein gutes Spiel ist ein Spiel, das uns begierig macht auf weitere Spiele.
Spiele sind Geschmacksache! Jeder muß für sich selbst entscheiden, welche Spiele er mag, und welche Spiele er nicht mag. Der eine zieht Glücksspiele vor, der andere Taktikspiele, der dritte liebt kommunikative Spiele, der vierte Reaktionsspiele, der fünfte Geschicklichkeitsspiele, der sechste Gedächtnisspiele usw. usw. Die Einteilung in gut, mittel und schlecht ist in erster Linie eine subjektive Entscheidung. Es gibt aber auch einige objektive Kriterien und die wollen wir uns jetzt näher ansehen:
- Originalität:
Ein neues Spiel muß originell sein. Es muß Elemente besitzen, die vorher noch nie oder in dieser Kombination noch nicht dagewesen sind.
- Wiederholreiz:
Je höher der Wiederholreiz eines Spieles ist, desto besser ist das Spiel selbst. Dazu gehört auch die Abspielbarkeit. Dies bedeutet, daß ein Spiel jedesmal anders ablaufen sollte. Ist dies nicht gegeben, verliert das Spiel seinen Spielreiz. Ein Spiel sollte nach vielen Partien immer noch frisch und lebendig sein, wie beim erstenmal.
- Überraschung:
Ein Spiel sollte immer wieder Überraschungen bieten können. Es sollte also nicht immer die gleichen Abläufe, Ereignisse und Konstellationen haben.
- Chancengleichheit:
In einem Spiel sollte jeder Spieler die gleichen Siegchancen haben. Dazu gehört z.B. auch, daß der Startspieler keinen Vorteil oder Nachteil hat.
- Siegchance:
Jeder Spieler sollte bis zum Schluß eine Chance zum Sieg haben. Dabei kann die Wahrscheinlichkeit durchaus gering sein, sie muß aber vorhanden sein.
- Kein Königsmacher-Effekt:
Darunter versteht man, daß ein Spieler zwar nicht mehr selber gewinnen kann, daß er mit seinem Zug aber entscheiden kann, welcher Spieler Sieger wird. Dieser Effekt kommt meist in Taktikspielen für mehrere Personen vor. Je ausgeprägter er ist, desto nachteiliger ist er für das Spiel.
- Kein vorzeitiges Ausscheiden:
Alle Spieler sollten bis zum Schluß mitspielen können, niemand sollte vorher ausscheiden, es sei denn, die Wartezeit bis zum Spielende ist sehr kurz (z.B. Schwarzer Peter, Quartett).
- Wartezeiten:
Nichts ist tödlicher für ein Spiel als zu lange Wartezeiten, in denen man nichts tun kann. Dies gilt vor allem für solche Spiele, bei denen man erst dann etwas unternehmen kann, wenn man selbst an die Reihe kommt. Bei Schach kann man ja auch dann überlegen, wenn man nicht an der Reihe ist.
- Entfaltungsmöglichkeit:
Abgesehen von den Glücksspielen, sollten die Spieler Einfluß auf den Spielablauf nehmen können. Nichts ist langweiliger, als wenn man das Gefühl hat, "vom Spiel gespielt zu werden." Spiele sollen die Spieler fördern, indem sie die Spieler fordern!"
Titel, Thema, Spielform und Grafik müssen gut zusammenpassen und eine Einheit bilden.
- Qualität des Spielmaterials:
Die Haltbarkeit, Funktionsfähigkeit und Optik des Spielmaterials tragen wesentlich zu einem guten Spiel bei.
- Eindeutige Zielgruppe oder einheitlicher Anspruch in der Spielregel:
Es gibt Spiele mit hohem und niedrigem Anspruch. Es gibt Spiele, die ganz bestimmte Fähigkeiten erfordern. Wichtig ist, daß ein Spiel in all seinen Regeln stimmig sein muß. Wenn ein Spiel als Taktikspiel entwickelt wurde, darf es keine spielentscheidenden Zufälle enthalten. Ich mache dazu ein Beispiel: Ein Spieler überlegt seinen Zug. Nach einiger Zeit fällt ihm eine gewinnträchtige Zugkombination ein. Wenn er nun, um die Zugkombination ausführen zu dürfen, würfeln müßte, so wären diese beiden Regeln nicht miteinander vereinbar. Dies klingt logisch und dennoch gibt es immer wieder Spiele, bei denen es nicht klar ist, für wen sie eigentlich gemacht wurden. Für den Spieler, der taktische Spiele liebt, oder für den, der Glücksspiele mag, oder für den, der Spiele mit einer guten Mischung aus Glück und Taktik sucht, oder für den, der kommunikative Spiele vorzieht. Ein Glücksspiel sollte eine einfache Regel haben, es sollte vom Zufall geprägt sein und dem Spieler wenig Alternativen bei seinem Zug bieten, so daß er nicht lange zu überlegen braucht, und das Spiel zügig ablaufen kann. Ein Spiel dagegen, das überwiegend taktische und strategische Elemente enthält, muß dem Spieler eine breite Palette an Zugmöglichkeiten bieten, bei denen er seine Fähigkeiten entfalten kann. Er muß die Möglichkeit haben, ein meisterliches Spiel zu spielen.
Jedes Spiel besitzt einen Spannungsverlauf. Wichtig ist, daß dieser Spannungsbogen keine zu langen Phasen mit geringer Spannung hat. Nachfolgend will ich zwei typische Spannungsverläufe zeigen.
- Der Verlauf 1 zeigt ein kontinuierliches Ansteigen der Spannung bis zum Höhepunkt am Spielende. Dieser Verlauf ist bereits gut, besser ist die blaue Linie. Dieser Verlauf wird erreicht, wenn man einen etwas langatmigen Spielbeginn reduziert und somit früher in das interessante Spielgeschehen einsteigen kann.
- Der Verlauf 2 zeigt mehrere Spannungshöhepunkte während des Spiels. Auch hier ist die blaue Kurve besser, d.h. mehr Höhepunkte und kein so starkes Abfallen der Spannung.
- Einstieg und Erlernbarkeit:
Es ist sicherlich ein Vorteil für ein Spiel, wenn es einen leichten Einstieg hat und schnell erlernbar ist. Die Klarheit und Verständlichkeit der Spielregel sind hier ganz besonders wichtig. Vorteilhaft ist es auch, wenn ein Spiel Abläufe besitzt, die den Spielern aus dem täglichen Leben bekannt sind. Es müssen nicht die gleichen Abläufe sein, es genügt, wenn sie ähnlich oder von der Logik her stimmig sind. Spiele, die dem Spieler eine große Entfaltungsmöglichkeit bieten, dürfen auch komplexer sein.
- Verhältnis der Komplexität der Spielregel zum Einfluß auf den Spielablauf:
Einfache Spiele müssen unbedingt auch einfache und kurze Regeln haben. Anspruchsvolle Spiele können auch komplexere Regeln haben. In der nachfolgenden Grafik ist dieses Verhältnis dargestellt. Die X-Achse stellt den Einfluß des Spielers auf das Spielgeschehen dar. Die Y-Achse zeigt die Komplexität des Spiels. Wenn wir nun einzelne Spiele in dieses Koordinatensystem eintragen, so fällt auf, daß es im Bereich 1, also oberhalb der Diagonalen keine Spiele gibt. Alle Spiele sind im Bereich 2 angesiedelt. Daraus muß man den Schluß ziehen, daß komplexe Regeln nur bei Spielen akzeptiert werden, bei denen der Spieler einen hohen Einfluß auf den Spielablauf besitzt.
Zu einem erfolgreichen Spiel gehört mehr als nur ein gutes Spiel. Das Spiel muß am Markt eingeführt werden. Dazu gehört ein gutes Marketing. Aber auch das beste Marketing nützt nichts, wenn man mit dem Spiel nicht den Zeitgeschmack getroffen hat. Um mit einem Spiel einen Boom auszulösen und die Menschen über einen langen Zeitraum zu begeistern, gehört etwas, das ich nur mit Intuition und Glück zu definieren vermag.
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