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PRESSE
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Stuttgarter Zeitung, 18.03.2003, Seite 25
Wolfgang Kramer setzt beruflich alles aufs Spiel
Der Betriebswirt aus dem Kreis Ludwigsburg hat sich in der deutschen Spieleszene einen Namen gemacht
KORNTAL-MÜNCHINGEN. Torres, Tikal und El Grande: diese Namen sind leidenschaftlichen Spielern in Deutschland geläufig. Was eher unbekannt ist: der Schöpfer dieser drei Spiele des Jahres heißt Wolfgang Kramer. Der lebt und arbeitet in Korntal-Münchingen.
Durch den Dschungel Guatemalas stapft er und legt Pyramiden der Maya frei. Auf der südasiatischen Insel Java baut er Reisterrassen an und errichtet Paläste. Im Kastilien des spanischen Mittelalters wiederum zieht er Burgen, die zuvor von einem verheerenden Wirbelsturm zerstört worden sind, in die Höhe. Wolfgang Kramer kommt viel herum in Zeit und Raum. Seine Wohnung im Süden Korntals muss er dafür allerdings nicht verlassen. Der gelernte Industriekaufmann und studierte Betriebswirt gehört in Deutschland zu den erfolgreichsten Erfindern von Spielen.
Guatemala, Java und Kastilien sind die Schauplätze von drei seiner Spiele, mehr als hundert hat er in den vergangenen 29 Jahren veröffentlicht, bei einer Gesamtauflage von mehr als zehn Millionen Exemplaren. Mit fünf seiner Schöpfungen heimste der 60-Jährige in dieser Zeit die begehrte Auszeichnung als Spiel des Jahres ein, zuletzt im Jahr 2000 mit Torres, der kastilischen Burgenbauerei, die er zusammen mit dem Spieleautor Michael Kiesling erfunden hat.
So bunt und vielfältig die Welten sind, denen sich Kramer bis 1989 als Hobby und seither als professioneller Autor widmet, so nüchtern ist das Büro, in dem er arbeitet. Hinter seinem aufgeräumten Schreibtisch stehen schlichte Wandschränke, einzig die bunten Spieleschachteln, die akkurat sortiert im Flur und im Nebenzimmer in Regalen liegen, deuten auf den Spieltrieb des Hausherrn hin. Eine Tür weiter geht es zum Besprechungszimmer, mit verschränkten Armen sitzt Wolfgang Kramer am Tisch und erzählt von seiner Karriere in einer ungewöhnlichen Branche.
Am Anfang stand, wie so oft, erst einmal eine Absage. Lange hatte Kramer an einem abstrakten Pferderennspiel gearbeitet und es dann voller Hoffnung an den führenden deutschen Spieleverlag Ravensburger geschickt. Der sandte das Werk allerdings bald zurück. "Die hatten selbst ein ähnliches Spiel bereits in Vorbereitung", sagt Kramer. Mensch ärgere dich nicht, dachte sich der Erfinder - und schickte seinen "Prototyp" kurzerhand einem anderen Verlag, der das Spiel dann 1974 unter dem Titel Tempo herausbrachte. "Ich hatte Glück", gibt Wolfgang Kramer zu. Sein Erstlingswerk hatte er im zweiten Anlauf auf den Markt gebracht.
Im Schnitt ein Spiel veröffentlichte er fortan jedes Jahr, bis Ende der 80er Jahre eine Entscheidung anstand. Das 25-Jahr-Betriebsjubiläum war gerade gefeiert, da begann Kramer sich Gedanken zu machen. Auf der einen Seite stand der Beruf als Informatiker bei Bosch, auf der anderen Seite das Austüfteln neuer Spiele, das nur nach Feierabend und im Urlaub möglich war, für den sich die vom Spielevirus infizierte Familie nicht selten Ferienwohnungen mit extra großen Tischen gemietet hat. "Ich wollte meinem Leben noch einmal eine Wendung geben", sagt Kramer. So reifte mit 47 Jahren sein Entschluss, den Job an den Nagel zu hängen und es als selbstständiger Spieleautor zu versuchen. Erleichtert hat ihm diese Entscheidung die Zusage seines Arbeitgebers, ihn wieder einzustellen, sollte es nicht klappen.
Um es kurz zu machen: es klappte. Im Schnitt ein halbes Dutzend Spiele bringt der Korntaler inzwischen in jedem Jahr auf den Markt, oft in Zusammenarbeit mit Kollegen. Sein Beruf macht ihn nicht reich, aber er kann gut davon leben. Ein Ausruhen auf den Lorbeeren eines Cäsars der deutschen Spieleszene gibt es allerdings nicht für ihn, zu schnelllebig ist der Markt inzwischen auch in seiner Branche. "Zwei bis drei Jahre hält sich ein Spiel im Schnitt, dann wird es aus dem Sortiment genommen." Zu Klassikern, die über lange Zeit in den Regalen der Geschäfte liegen, reifen nur noch ganz wenige Spiele.
Überhaupt der Markt: 50 bis 60 Veröffentlichungen seiner Kollegen kauft sich Kramer jedes Jahr, um sie einmal durchzuspielen und dann in den Schrank zu stellen. "Wenn ich eine neue Idee habe, schaue ich erst nach, ob es schon mal was Ähnliches gegeben hat." Er versucht, neue Trends frühzeitig zu erkennen, um dann gezielt Spiele zu entwickeln. "Die komplexen Aufbau- und Entdeckerspiele der vergangenen Jahre zum Beispiel sind ausgereizt", sagt Kramer. Diese Art von Gesellschaftsspielen, die in den "Siedlern von Catan" Mitte der 90er Jahre einen phänomenalen Höhepunkt erlebten, verkaufen sich inzwischen nicht mehr so gut wie früher. Heute sind schlichtere Regeln und ein schnellerer Ablauf gefragt, mehr Action denn Grübeln. Entsprechend turbulent und leicht verständlich geht es deshalb in Kramers jüngster Kreation "Die Nacht der Vampire" zu: Die Spieler müssen dabei mit Knoblauch in Gestalt einer kleinen Kugel eine Horde Vampire aus einem Schloss verjagen.
Längst nicht jede seiner Ideen wird zu einem Spiel, oder sie erscheint am Ende ganz anders als gedacht. In den 90er Jahren hatte Kramer ein Spiel um die Sage des Troianischen Pferdes herum entwickelt. "Dann kam ich auf die Nürnberger Spielemesse, auf der ein anderer Verlag ein Spiel mit genau diesem Thema vorstellte." Damit nicht die ganze Entwicklungszeit vergebens war, musste möglichst schnell ein neues, passendes Szenario gefunden werden. Schließlich fiel die Entscheidung auf das Spanien des ausgehenden Mittelalters. Ironie am Rande: aus der Notlösung wurde ein rauschender Erfolg, El Grande 1996 zum Spiel des Jahres gewählt.
Manchmal kommen ihm andere Verlage zuvor, manchmal werden Themen aber auch unvermutet unpopulär. Anfang der 90er Jahre war die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, die sich 1992 zum 500. Mal jährte, ein heißes Thema. Weil aber immer weniger die historische Stunde und mehr das blutige Wüten der Spanier und Portugiesen unter den Ureinwohnern der Neuen Welt diskutiert wurde, geriet das Thema ins Zwielicht. Kramer musste seine Ideen für ein Spiel rund um die Entdeckung des Kontinents in der Schublade verschwinden lassen. Andere Themen reifen erst mit der Zeit heran. "Die Kürbiskopfbande", in der die Spieler als Kürbisse verkleidet Bonbons sammeln müssen, wäre ohne das uramerikanische Halloween-Fest, das auch hier seit einigen Jahren immer populärer wird, wohl nicht erschienen.
Seine eigenen Schöpfungen spielt der Korntaler Erfinder in der Regel nicht mehr, wenn sie auf den Regalen sind. "Nach den 50 bis 60 Partien während der Entwicklungsphase ist der Reiz dann irgendwie weg." Da sitzt er lieber am Schreibtisch und brütet über neuen Ideen. Was dabei herauskommen könnte, darüber schweigt er freilich. Nicht nur der Spieler, sondern auch und gerade der Erfinder Wolfgang Kramer lässt sich nur ungern in die Karten schauen.
Im Internet ist Wolfgang Kramer unter der Adresse http://www.kramer-spiele.de zu finden.
Von Lukas Jenkner
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Wer kennt sie nicht, die Brettspiele mit ihren
bunten Figuren?
Wolfgang Kramer hat das Erfinden
neuer Spiele zu seinem Beruf gemacht
Von Sebastian Bröder
So schön hatte ich mir die Geschichte vorgestellt: Ein exzentrischer älterer Herr,
der seinen gut bezahlten Job in einem krisensicheren Unternehmen sausen lässt, um
sich als Erfinder selbstständig zu machen.
Noch dazu als Erfinder von
Gesellschaftsspielen. Sie wissen
schon: Mühle, Halma, Monopoly und
so. Ich sah ihn bereits vor mir: verschrobene
Intelligenzbestie, zerzaustes
Haar, irrer Blick. Das wird
eine Story! Doch dann die enttäuschende
Wirklichkeit: Wolfgang
Kramer, der Spieleerfinder, ist ein
umgänglicher, gepflegter und
freundlicher Mann. Keine Spur vom
zerstreuten Professor. Verschämt
schiebe ich die Schublade wieder zu,
in die ich ihn stecken wollte.
Kramers Ideen-Schmiede befindet
sich im fünften Stock einer
Wohnanlage in Korntal am Stadtrand
von Stuttgart. Hier lebt der 59-
Jährige mit seiner Frau Ursula, die
Wohnung nebenan ist sein Büro. Im
Flur steht ein Regal mit Spielekartons: Kramers Erfindungen. Weit
über 100 Spiele hat er veröffentlicht,
viele davon sind preisgekrönt. Darunter
die Strategiespiele Torres, El
Grande und Tikal und das Kartenspiel
mit Kultstatus 6 nimmt! In einem
großen Zimmer lagern die
Spiele anderer Autoren: bunte Kartons
vom Boden bis zur Decke. Zwischen
2000 und 3000 müssten es sein,
schätzt Kramer. Das Arbeitszimmer
selbst ist alles andere als verspielt.
Mitten im Raum stehen drei Holzschreibtische
in Hufeisen-Formation,
dahinter eine altmodische
Wohnzimmer-Schrankwand. Auf
den ersten Blick wähnt man sich in
einer Beamtenstube. Keine Spur von
kreativem Chaos.
"Ich spiele, seit ich denken kann",
sagt Wolfgang Kramer. In seiner frühesten
Erinnerung sieht sich der
Stuttgarter dreijährig mit seiner
Großmutter vor dem Mensch-ärgere-
Dich-nicht-Brett: "Ich habe gewürfelt,
und meine Oma hat für
mich gesetzt, weil ich noch nicht bis
sechs zählen konnte." Bald entdeckte
er seine Liebe zu Schwarzer
Peter und 11er raus, und in der Schulzeit war er Stammkunde im Spielwarenladen.
"Das Spiel ist älter als
Lesen und Schreiben", sagt Kramer.
"Es fördert das Sozialverhalten,
trainiert das Gehirn, weckt Begabungen.
Und es ist eine Brücke, die
Menschen zusammenführt - wer
spielt, bleibt nicht allein."
Als junger Erwachsener begann
er, die Regeln von bestehenden Spielen
zu verändern. Diese Variationen
waren bei Kramers Freunden sehr
beliebt, und eines Tages forderten
sie ihn auf, ein komplettes Spiel zu
entwickeln. Doch bis es so weit war,
sollten noch mehr als zehn Jahre vergehen.
Nach dem Wehrdienst bekam
er eine Stelle beim Elektrokonzern
Bosch, wo er auch seine
Ausbildung zum Industriekaufmann
gemacht hatte. Weil ihn Computer
interessierten, bildete sich
Kramer zum Informatiker fort, anschließend
studierte er Betriebswirtschaftslehre.
"Das Studium ist
mir leicht gefallen", sagt er. Lernen
musste er nicht viel, Kramer hatte
Zeit. Er verbrachte sie in Stuttgarter
Parks, wo er mit Senioren Freischach
spielte. Und dann wollte er
auch sein erstes Spiel erfinden.
Das Thema stand schnell
fest: Ein Pferderennen
sollte es sein. Kramer
wollte, dass die Spieler
das Rennen beeinflussen
können, sich also nicht nur auf
ihr Glück verlassen müssen. Also
keine Würfel. Aber wie lassen sich
Figuren ohne Würfel bewegen? Einen
Monat lang grübelte Kramer
über diesem Problem, bis er sich entschied,
das Pferderennen mithilfe
von Karten zu steuern, die in strategisch
geschickter Reihenfolge ausgespielt
werden müssen - eine damals
neue Idee. "Ich bastelte einen
Prototyp und schickte ihn an den
Verlag Ravensburger. Schon nach
zwei Wochen kam mein Spiel zurück",
erinnert sich Kramer. "Zusammen
mit einem Brief, in dem
stand, dass man zurzeit an einem
sehr ähnlichen Spiel arbeite und
meines nicht behalten wolle, um sich
vor dem späteren Vorwurf des Abkupferns
zu schützen." Der zweite
Anlauf klappte: Der ASS-Verlag
brachte Kramers Pferderennen 1974
unter dem Namen Tempo heraus.
Doch es war kaum auf dem Markt,
als die Firma ASS einen Brief aus
Ravensburg erhielt mit dem Vorwurf,
Tempo sei ein Plagiat des Ravensburger-
Spiels Jockey. "Offensichtlich
handelte es sich dabei um
das Spiel, weswegen die Ravensburger
damals meine Idee ablehnten.
Zum Glück hatte ich den Absage-
Brief noch", erzählt Kramer. "Mit
ihm ließ sich ja beweisen, dass ich
nicht abgekupfert haben konnte."
Kramer macht eine kleine Pause,
lächelt verschmitzt und fährt fort:
"Seit diesem Zeitpunkt war mein
Name natürlich bekannt in Ravensburg."
Kramer versuchte bei Bosch Karriere
zu machen. Nach Feierabend
und am Wochenende bastelte er an
seinen Spielen. Jedes Jahr erschien
ein neues, manchmal auch zwei oder
drei. Dann, 1986, gelang Kramer der
große Durchbruch: Sein Spionage-
Spiel Heimlich & Co. - erschienen
bei Ravensburger - erhielt den Kritikerpreis
Spiel des Jahres, die höchste
Auszeichnung für ein Gesellschaftsspiel
in Deutschland. Als der
Preis im folgenden Jahr erneut an
ein Kramer-Spiel ging, das im Verlag
F. X. Schmidt erschienene Auf
Achse, war er endgültig zum Star der
Spielemessen avanciert. Die Verlage
standen Schlange bei Kramer, der
bald jede freie Minute seinen neuen
Erfindungen widmete. "Das ging
so weit, dass ich im Urlaub immer
einen Koffer mit Spielematerial dabei
hatte und nur Apartments buchte,
in denen ein riesengroßer Tisch
stand", erinnert er sich.
So konnte es nicht weitergehen,
das stand fest. Immer häufiger spielte
Kramer mit dem Gedanken, sich
als Spieleerfinder selbstständig zu
machen. Er sprach mit Branchenkennern
über seine Pläne. Alle rieten
ihm ab. Der Grund: Die Autoren
werden per Lizenzvertrag am
Umsatz der verkauften Spiele beteiligt,
sind also voll vom kommerziellen
Erfolg abhängig. "Um gut leben
zu können, muss ich schon
100 000 Stück im Jahr verkaufen",
erklärt Kramer. "Die Auflagen vieler
Spiele bleiben jedoch unter
10 000." Ein Spiel des Jahres verkauft
sich zwar wesentlich besser - mindestens
100 000-mal und mehr. Doch
bei rund 400 Neuerscheinungen pro
Jahr gewinnt man diesen Preis nicht
so ohne weiteres. Auch seine Freunde warnten Kramer vor der ungewissen
Zukunft. Aber er ließ sich
nicht entmutigen, und seine Frau
stärkte ihm den Rücken. "Wenn du
es machen willst, dann versuch es.
Ich stehe hinter dir", sagte sie.
Schließlich sprach er mit seinem
Arbeitgeber, der ihm schriftlich versicherte,
ihn nach drei Jahren wieder
einzustellen, falls es mit der
Selbstständigkeit
nicht klappen sollte.
So wurde Wolfgang
Kramer im Alter von
46 Jahren Deutschlands
erster hauptberuflicher Spieleerfinder.
"Zukunftsangst
hatte ich nicht", betont
er. "Keine Ahnung,
woher die Gewissheit
kam, aber
ich wusste: Ich packe
das." Das war vor
bald 13 Jahren.
Bis heute hat er seine Entscheidung
nicht bereut. Fast zehn Millionen
Kramer-Werke sind inzwischen
verkauft worden. Eine Gesamtauflage, von der so mancher
Bestsellerautor nur träumen kann.
Doch bei allem Erfolg ist Wolfgang
Kramer bescheiden geblieben. Statt
mit Designer-Möbeln zu repräsentieren,
tüftelt er lieber. An Würfel-,
Karten- und Kinderspielen genauso
wie an anspruchsvollen Taktikspielen
und Rätselbüchern. "Es ist
für mich eine Herausforderung, jede
Art von Spiel zu entwickeln", sagt
er. Jede Gattung habe ihren eigenen
Reiz. Einen roten Faden lassen seine
Spiele dennoch erkennen: Sie
sind alle friedlich.
Wolfgang Kramer lebt davon,
dass er gute Ideen hat. Denn selten
beauftragt ihn ein Verlag, ein
bestimmtes Thema umzusetzen.
Vielmehr entwickelt er ein Spiel
auf eigene Faust. Wenn es fertig
ist, überlegt er, welchem Verlag
er es anbieten könnte.
Wichtigstes Kriterium:
Das Spiel
muss ins Verlagsprogramm
passen. Kinderspiele
gehen zum
Beispiel an Haba
oder Selecta, Kartenspiele
eher an
Amigo. Auch Hans
im Glück, Goldsieber
oder Schmidt
Spiele gehören zu
Kramers Kunden.
"Mein größter und wichtigster Lizenznehmer
ist jedoch Ravensburger",
sagt Kramer.
Woher er nur all die Ideen nimmt,
wird Kramer oft gefragt. "Ich gehe
mit offenen Sinnen durchs Leben",
lautet die Antwort. "Ein Modeschöpfer
zum Beispiel verbindet alles,
was er sieht, mit Kleidung. So ist
das bei mir mit Spielen." Die Ideen
kämen dann ganz automatisch: unter
der Dusche, beim Lesen, kurz
vor dem Einschlafen. Er zieht einen
prall gefüllten Ordner aus der
Schrankwand. "Hier archiviere ich
alle meine Einfälle", sagt er. "Aber
ich komme gar nicht dazu, sie ab-
zuarbeiten. Meist laufen etwa zehn
Projekte gleichzeitig, in ganz unterschiedlichen
Entwicklungsstadien.
Wenn ich mit einem Spiel fertig bin,
ist die Idee für das nächste oft schon
da, so dass ich gar nicht in den Ordner
zu schauen brauche."
Die Umsetzung eines Einfalls ist
wesentlich schwieriger als der Einfall
selbst. Dieser Prozess, der bei anspruchsvollen
Spielen bis zu einem
Jahr dauern kann, beginnt meist mit
einer Marktanalyse: Kramer durchforstet
sein persönliches Spielearchiv,
studiert Kataloge, forscht in
Datenbanken, ob seine Idee wirklich
neu ist oder ob es bereits ein
ähnliches Spiel gibt. Es folgt die
Recherche zum Thema. In dem
Ritterspiel Torres, das Kramer mit
Koautor Michael Kiesling entwickelte,
geht es um den Bau von Burgen
im historischen Kastilien. Also
lasen die Autoren Bücher und Zeitschriftenartikel
über das Mittelalter
in Spanien. Um sich ein Thema zu
erschließen, besucht Kramer Vorträge,
spricht mit Experten, sieht
sich Dokumentarfilme an. Zwischendurch
verfeinert er das Konzept
des Spiels, skizziert Abläufe
und bastelt dann mit Buntstiften,
Schere und Klebstoff einen ersten
Prototyp. Den probiert Kramer zunächst
zunächst
mit seiner Frau aus. "Sie ist
gnadenlos und findet meist noch
Fehler", sagt er. Wenn Ursula Kramer
den Daumen hochhält, wird mit
Freunden und Bekannten getestet.
Der Erfinder protokolliert alles:
Wurden die Regeln verstanden, hatten
alle Spieler die gleichen Chancen,
wie war der Spannungsverlauf?
"Erst wenn alles hundertprozentig
funktioniert, bastle ich einen
endgültigen Prototyp für den Verlag",
sagt Kramer, fischt eine weiße
Pappschachtel aus seiner Schrankwand
und öffnet den Deckel. Zum
Vorschein kommen ein handgemalter
Spielplan, ein paar Figuren, viele
Karten mit sorgfältig aufgeklebten
Bildern. Liebevoll wühlt er in
den selbst gebastelten Utensilien herum,
in denen so viel mehr Arbeit
steckt, als man ihnen ansieht. "Mein
Lieblingsspiel ist immer das, an dem
ich gerade arbeite", erzählt er, während
er vor seiner neuesten Erfindung
steht, seinem momentanen
Lieblingsspiel, dessen Thema natürlich
noch streng geheim ist.
Begeistert und stolz wirkt er fast
wie ein kleiner Junge, der gerade
gegen seine Oma bei Mensch ärgere
Dich nicht gewonnen hat. Und sich
schon diebisch auf die nächste
Partie freut.
|
" Mit freundlicher Genehmigung von Reader´s Digest.
Das Portrait von Sebastian Bröder erschien im November-Heft 2001."
aus Ludwigsburger Kreiszeitung vom 6.12.2003
aus Ludwigsburger Kreiszeitung vom 1.10.2004
Lufthansa exclusive 12/2004 - Ausschnitt aus dem Bericht „Die Spielmacher“ von Michael Knopf (Text) und Betti Fiegle (Foto), Seite 18 ff.
aus der Süddeutschen Zeitung vom 13.01.2001
aus "Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart GmbH" im Dezember 2000
aus der LKZ vom 24.05.2005
aus der StZ vom 06.02.2010
aus "KUNESTO - Das Magazin" von 2010